Portät von Dr. Laura Braam, der Leiterin der Rechtsabteilung in der Landesanstalt für Medien NRW.

Wie die Landesanstalt für Medien NRW dabei hilft, sich gegen Hassrede im Netz zu wehren

Wer von Hassrede im Netz betroffen ist, stellt oftmals fest: Es ist kompliziert, diese aus dem Netz zu bekommen. Doch es gibt Institutionen, die dabei unterstützen; etwa die Landesanstalt für Medien NRW. Die Leiterin der Rechtsabteilung, Dr. Laura Braam, hat uns erklärt, wie das funktioniert.

Frau Dr. Braam, auf der Seite der Medienanstalt NRW kann man Hassrede im Internet melden. Sind Sie nicht vor allem für Radio und Fernsehen zuständig? 

Die Landesanstalt für Medien NRW ist nicht nur für Radio und Fernsehen zuständig, sondern auch für Online-Angebote. Dazu zählen Inhalte, die über das Internet verbreitet werden – etwa in sozialen Netzwerken, auf Webseiten oder über Streaming-Plattformen. Man unterscheidet dabei zwischen Rundfunk, zum Beispiel Radio und Fernsehen und Telemedien, also digitalen Angeboten wie Social Media, On-Demand-Plattformen oder Webseiten. Wird auf diesen Angeboten Hassrede verbreitet, können diese Inhalte bei der Landesanstalt für Medien NRW gemeldet werden. 

Mit welchen Themen befassen Sie sich hier genau? 

Hassrede bezeichnet die Verbreitung von abwertenden, menschenverachtenden oder volksverhetzenden Äußerungen, insbesondere im Internet. Sie kann die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreiten, etwa wenn sie gegen strafrechtliche Bestimmungen oder gegen den Jugendmedienschutz verstößt. 

Ein zentraler rechtlicher Rahmen für unser Vorgehen gegen Hassrede ist der sogenannte Staatsvertrag für den Schutz der Menschenwürde und der Jugend in Rundfunk und Telemedien - Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV). Er regelt insbesondere, welche Online-Inhalte unzulässig sind. Dazu zählen nicht nur Inhalte, die Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung beeinträchtigen können, sondern insbesondere auch menschenwürdeverletzende und volksverhetzende Aussagen, die Bevölkerungsgruppen aufgrund etwa ihrer Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung angreifen, Inhalte, welche den Holocaust leugnen oder verharmlosen sowie die Verbreitung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, zum Beispiel NS-Insignien. 

Als Landesanstalt für Medien NRW übernehmen wir hier nicht nur die Rolle der Medienaufsicht, sondern engagieren uns auch intensiv in der Forschung zu Hassrede. Mit unserer jährlichen forsa-Befragung untersuchen wir, wie Hassrede im Netz von den Menschen wahrgenommen wird. 

Darüber hinaus setzen wir gezielt auf Aufklärung und Prävention. Wir entwickeln wirksame Strategien zur Eindämmung von Hass und Hetze im Internet. Dabei gehen Medienaufsicht und Prävention Hand in Hand: Unser Ziel ist es, Rechtsverstöße im digitalen Raum zu verhindern und gleichzeitig schädliches Verhalten – gegenüber anderen und sich selbst – vorzubeugen. 

Und was ist mit so genannten „Dickpics“? Können Sie diese als Pornografie verfolgen?

Eine unserer zentralen gesetzlichen Aufgaben ist der Jugendmedienschutz. Wir arbeiten daher in Fällen, in denen Minderjährige mit sexuellen Inhalten über Messenger wie WhatsApp oder über Direktnachrichten in sozialen Netzwerken belästigt werden, mit den Strafverfolgungsbehörden eng zusammen. So können etwa Verdachtsfälle von Cybergrooming, der gezielten Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen über das Internet, bei uns online gemeldet werden. Alle Meldungen werden durch unsere Juristinnen und Juristen geprüft und, wenn wir eine Straftat feststellen, an die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime für Nordrhein-Westfalen bei der Staatsanwaltschaft in Köln weitergeleitet. 

Sind erwachsene Personen und keine Minderjährigen betroffen, sollten sich diese am besten direkt an die Polizei wenden.

Wie oft erhalten Sie Meldungen zu Hassrede im Netz? 
Im Rahmen unserer aufsichtsrechtlichen Tätigkeit haben wir täglich mit Inhalten zu tun, die unter den Bereich der Hassrede gefasst werden können. Dabei ist anzumerken, dass wir nicht nur über Meldungen Kenntnis von solchen Inhalten erlangen. Ein Großteil der in diesem Zusammenhang relevanten Online-Inhalte finden wir in Eigenrecherche, wobei hier uns maßgeblich das von uns selbst entwickelte KI-Tool „KIVI“ unterstützt. 

Hier sind die Zahlen im Grunde genommen recht konstant. Allerdings können wir rund um politische oder gesellschaftliche Ereignisse auch mal kurzfristige Steigerungen von Meldungen von strafbaren Inhalten im Internet feststellen. So kam es etwa rund um den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zu einer merklichen Zunahme von Fällen aus dem Bereich Hassrede.

Was passiert, wenn ich solche Inhalte bei Ihnen melde? Wer liest das und was macht die Person dann genau? 

Jede bei uns eingehende Meldung wird von uns auf Rechtsverstöße in unserer Zuständigkeit geprüft. Sofern es sich um Inhalte handelt, die auch strafrechtlich relevant sind, leiten wir diese zur Sicherstellung der Strafverfolgung in einem abgestimmten Prozess an das Bundeskriminalamt (BKA) weiter. Das BKA ermittelt insbesondere die Identität der Täter und übergibt die Fälle an die zuständigen Landeskriminalämter bzw. Staatsanwaltschaften zur Strafverfolgung. Innerhalb einer Frist von 14 Tagen wird der Sachverhalt in Form einer sogenannten Löschanregung an die jeweils zuständige Medienanstalt gesandt. 

Löschanregungen können dabei auch Online-Inhalte zum Gegenstand haben, die nicht von den Medienanstalten, sondern von anderen Institutionen beim BKA gemeldet wurden. Die Medienanstalten ergreifen dann die erforderlichen rechtlichen Maßnahmen mit dem Ziel der Löschung des rechtswidrigen Inhalts innerhalb ihrer eigenen Zuständigkeit.

Welche Möglichkeit haben Sie, die großen Anbieter wie Instagram oder TikTok in die Verantwortung zu nehmen?

Rechtswidrige Inhalte auf Onlineplattformen wie Instagram und TikTok melden wir zunächst auf gesonderten Meldewegen unmittelbar bei der Plattform. In vielen Fällen wird bereits auf diese Meldung hin der relevante Inhalt entfernt. Sollte dies nicht geschehen, leiten wir ein formelles Aufsichtsverfahren ein und fordern den Plattformbetreiber zur Löschung des rechtswidrigen Inhalts auf. In den weit überwiegenden Fällen kommen die Plattformen diesen Aufforderungen auch nach.

Wie oft passiert es, dass Sie Meldungen nicht weiterverfolgen? Was sagen Sie den Betroffenen in so einem Fall?

Wir prüfen jede der bei uns eingehenden Meldungen und ergreifen für den Fall, dass wir einen Rechtsverstoß in unserer Zuständigkeit feststellen, die erforderlichen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen. Aber nicht jede verletzende Äußerung im Netz ist automatisch rechtswidrig. Die Meinungsfreiheit in unserer Demokratie schützt grundsätzlich beziehungsweise gerade auch unbequeme oderprovokante Aussagen. Von der Meinungsfreiheit lebt unser Diskurs – auch diesen müssen wir als Medienaufsicht schützen.

Manche Inhalte im Internet sind zwar nicht jugendgefährdend und fallen nicht unter den Jugendmedienschutz im Sinne des JMStV, können aber trotzdem rechtswidrig sein. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand persönlich beleidigt oder in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt wird. In solchen Fällen können wir als Medienaufsicht nicht direkt eingreifen. Wenn die betroffene 

Person sich bei uns meldet, informieren wir sie aber darüber, welche Möglichkeiten sie hat: etwa eine Strafanzeige bei der Polizei zu stellen oder zivilrechtlich gegen den Verfasser vorzugehen – zum Beispiel mit einer Abmahnung oder einer Unterlassungsklage.

Sie haben ja schon die jährliche forsa-Umfrage erwähnt, bei der die Medienanstalt Menschen in Deutschland befragen lässt, wie sie Hass im Netz wahrnehmen. Welche Ergebnisse sollten Eltern und pädagogische Fachkräfte kennen? 
Hass wirkt vor allem über die Angst, die sie Betroffenen macht. Dabei wissen wir aus unserer Befragung, dass die breite Mehrheit in der Bevölkerung Hass ablehnt, auch, wenn in Online- Diskussionen oft ein anderes Bild entsteht. Zwei Dinge sind besonders zentral. Erstens: Betroffene können sich wehren – zum Beispiel, indem sie Hassrede bei der Landesanstalt für Medien NRW melden. Zweitens: Betroffene sollten sich an Vertrauenspersonen und Freunde wenden. Wer von Hass betroffen ist, braucht Unterstützung und Solidarität von ihrem oder seinem direkten Umfeld. 

Folgende Angebote findet Ihr bei der Landesanstalt für Medien NRW

  • Hassrede oder Cybergrooming melden: Hier findet Ihr das Meldeformular, auf das Frau Dr. Braam hingewiesen hat: https://www.medienanstaltnrw.de/beschwerde
  • Kostenlos weiterbilden: Für Redaktionen und Teams, die ihre Mitarbeitenden im Umgang mit Hasskommentaren im Netz stärken möchten, bietet die Landesanstalt für Medien NRW kostenfreie Schulungen an. Mehr Informationen zu diesen Angeboten gibt es hier: https://www.medienanstalt-nrw.de/hass
  • Medienkompetenz stärken: Die Medienanstalt betreibt eine Reihe von Projekten, die Menschen stärken und befähigen sollen, Hassrede zu erkennen und ihr aktiv entgegenzutreten. Dazu zählen unter anderem die Medienscouts NRW, ein Peer-to-Peer-Projekt, das Schulen dabei unterstützt, Medienthemen wie z. B. Hassrede oder verstörende Inhalte im Klassenchat interaktiv im Schulalltag zu behandeln und Schülerinnen und Schüler für Gefahren im Netz zu sensibilisieren. Das Projekt Eltern und Medien bietet Elternabende für Kitas, Schulen, Vereine und Familienbildungsstätten an, die über Themen der Medienerziehung informieren. Die Frage-Antwort-Plattform ZEBRA ist ein anonymes, digitales Beratungsangebot. Menschen können hier individuelle Fragen stellen – und erhalten innerhalb von 24 Stunden individuelle und kostenfreie Unterstützung.