Das Bild zeigt einen Zusammenschnitt von aus einem Teaservideo herauskopierten Aufnahmen: die Moderatoren und Korrespondenten und politische Szenen wie Demonstrationen oder militärische Aufmärsche.

Der politische Kanal: Was „Atlas“ zur guten Quelle macht

„Atlas“ ist das YouTube-Auslandsmagazin von funk und dem NDR, speziell für die Generation Z. Einmal wöchentlich ordnet es ein aktuelles Thema des Weltgeschehens in seinen Kontext ein. Dafür erhielt die Redaktion den Grimme-Preis 2025. Wir haben uns den Kanal genauer angeschaut.

Filme, Social-Media-Kanäle und auch journalistische Angebote können helfen, in einer schnellen Welt voller Krisen den Überblick zu behalten. Wir schauen uns regelmäßig Angebote an – und beginnen mit „Atlas“, dem Auslandsmagazin für junge Zielgruppen von funk und dem NDR. 

Warum haben wir diesen Kanal ausgewählt?
„Atlas“ hat 2025 den Grimme-Preis erhalten. In der Begründung heißt es: 

„Das YouTube-Format ist speziell für die Generation Z konzipiert. Präsentation, Themenaufbereitung und Moderationssprache kommen mit dem YouTube-typischen Touch daher, ohne es aber zu überreizen. Die informierende und orientierende Qualität wird nie überlagert von unseriösen Clickbaiting-Effekten. Jede Information ist mit nachverfolgbaren Quellen belegt und gestützt durch Aussagen von Expert*innen und Berichterstatter*innen vor Ort. Auch wer nicht zur Zielgruppe gehört, zieht einen Nutzen aus der jugendlichen wie professionellen Verpackung. Man schaut und lernt.“ 

Das Angebot unterstütze eine Zielgruppe, der allein aufgrund des jungen Alters viel Vorwissen fehle, Hintergründe und Zusammenhänge besser zu verstehen – und damit den Überblick zu behalten. Die ganze Begründung der Jury gibt es mit Klick auf diesen Link

Wie funktioniert der Kanal?
Einmal pro Woche lädt die Redaktion ein neues Video hoch. Es greift ein aktuelles Thema des Weltgeschehens auf. Die Redaktion bevorzugt Themen, die in der Auslandsberichterstattung der traditionellen Medien eher keine große Rolle spielen, aber in den Sozialen Medien durchaus beachtet werden.

So heißt etwa eine Folge aus September 2024: „Deshalb weißt Du nichts über den Sudan.“ Diese Folge beleuchtet, wie schlimm der Krieg in diesem Land ist, was ihn ausgelöst hat – und auch, warum er in vielen klassischen Medien oder in der deutschen Außenpolitik eine untergeordnete Rolle spielt. 

Aber auch Fragen wie „Deshalb droht in der Arktis der nächste Krieg", „Wie KAPUTT ist Australien?“ oder „Deshalb sind Frankreichs Schulen anders heftig“ greift der Kanal auf. 

Er bearbeitet diese Fragen mit dem Handwerk des Journalismus. Die Redaktion analysiert Zusammenhänge und liefert Kontext. Sie wertet Studien und Medienberichte aus, spricht mit Menschen vor Ort, mit Expertinnen und Experten und vor allem mit Reporterinnen und Reportern vor Ort. Über den NDR hat die Redaktion Zugriff auf das gesamte weltweite Reporternetzwerk der ARD. 

Die Ergebnisse der Recherchen werden in zehn- bis zwanzigminütigen Videos vom Moderatoren-Duo Tessniem Kadiri und Don Pablo Mulemba präsentiert. 

„Atlas“ ist also eine Fundgrube an journalistisch eingeordneten Themen, denen wir ansonsten vor allem in den Sozialen Medien begegnen. Die Themen sind durchweg aktuell und gleichzeitig so aufbereitet, dass auch viele ältere Videos gültig bleiben.

Was macht den Kanal so besonders?  
„Atlas“ gelingt es besonders gut, beim Einordnen der Themen ihre Ambivalenz herauszuarbeiten. In der Folge über den Sudan schwingt etwa die Frage mit: Ist es richtig, einen brutalen Diktator zu stürzen – auch wenn in das folgende Machtvakuum noch brutalere Gruppen stoßen? 

Eine weitere Folge befasst sich mit dem Einsatz privater Söldnergruppen in Haiti, wo die öffentliche Ordnung weitgehend zusammengebrochen ist. Ein Bandenkrieg bedroht Alltag und Leben der gesamten Bevölkerung. Rechtfertigt das aber den (teuren) Einsatz einer faktisch unkontrollierbaren Söldnergruppe, der ebenfalls Willkür und Gewalt vorgeworfen wird? 

Das Format wirft solche Fragen bewusst auf und liefert Argumente – lässt sie aber offen und bittet um Diskussion dazu in der Kommentarspalte. Das funktioniert: Regelmäßig machen dabei mehrere hundert Zuschauerinnen und Zuschauer mit. 

Die Redaktion hat aber auch ein ebenso herausragendes wie im klassischen Journalismus seltenes Verständnis von den visuellen Welten, denen wir vor allem in den Sozialen Medien begegnen. Bei der Entscheidung für ihre Themen lässt sie sich erkennbar auch von Fragen leiten wie: Welche Bilder werden gerade im Netz verbreitet? Welchen Eindruck hinterlassen sie? Sollte das eingeordnet werden? Ein gutes Beispiel hierfür ist die Folge „Warum Influencer mit Taliban chillen“

Das führt nicht nur dazu, dass auch zu solchen Fragen relevante Videos verfügbar sind. Die Redaktion macht auch die eigene Arbeit mit Bildern sichtbar; begründet etwa die Auswahl oder gibt leicht erkennbar die Quellen an. „Atlas“ ist damit auch ein gutes Beispiel für praktisch umgesetzte Medienkompetenz. 

Wo hakt es? 

Genauere Angaben zu den externen Expertinnen und Experten wären wünschenswert. Nicht immer, aber oft ist nur allgemein die Rede von „IT-Experte“, „Nahost-Expertin“ oder „Militär-Experte“. Es wäre leichter, diese Expertise einzuordnen, wenn genauer benannt wäre, woher sie kommt. 

Die Art der Moderation, die auch auf Mimik und Gestik setzt, macht es zudem machmal schwer zwischen Einordnung und Meinungsäußerung zu unterscheiden. Das ist vor allem schade, denn die präzisen Analysen des Formats drücken an sich genügend Haltung aus.   

Insgesamt finden wir: ein herausragender Kanal, der Vertrauen verdient.