Cover Publikation Mannosphere

Neu erforscht: Mannosphere – die wachsende Gefahr im Netz

Wie schwappt digitaler Hass in die analoge Welt? Mit dieser Frage befasst sich die Netzwerkanalyse „Mapping the Germanosphere“ des Berliner Exzellenzclusters SCRIPTS. Sie sagt: Die Szene der so genannten „Mannosphere“ ist ebenso groß wie gespalten. Sie stellt zunehmend eine Gefahr für demokratische Prozesse dar, etwa indem sie Frauen aus dem öffentlichen Raum verdrängt.

Vernetzt, reichweitenstark und voller Hass: Eine Pilotstudie des Berliner Exzellenzclusters „Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS)“ hat erstmals eine Netzwerkanalyse von 300 öffentlichen und reichweitenstarken deutschsprachigen Online-Accounts sowie Websites der so genannten „Mannosphere“ vorgelegt. 

„Mannosphere“ ist ein Oberbegriff für ganz unterschiedliche ideologische Strömungen, deren gemeinsamer Kern in Frauenfeindlichkeit besteht. Die Studie hat ihre Netzwerke analysiert und Beobachterinnen und Beobachter der Szene befragt. Das sind die vier wichtigsten Ergebnisse:

1. Die Szene wächst – und ist zunehmend gespalten

Die Forscherinnen und Forscher stellen fest, dass der Begriff „Mannosphere“ in die Irre führt. Er suggeriert eine geschlossene homogene Gruppe. Tatsächlich besteht die Szene aus ganz unterschiedlichen und einander teils widersprechenden Strömungen. 

So reduzieren etwa die so genannten „Pick Up Artists“ Frauen zu Objekten der teils gewaltsamen sexuellen Eroberung, was die „Incels“ (Involuntary Celibates, auf Deutsch: unfreiwillig Enthaltsame) nicht propagieren. Sie beschuldigen Frauen vielmehr, sexuelle Beziehungen nur zu sozial höhergestellten Männern haben zu wollen und ihnen somit ihr Recht auf Sexualität vorzuenthalten. 

Die Gruppe der „Man going their own way“ (zu Deutsch: Männer gehen ihren eigenen Weg) lehnen romantische und sexuelle Beziehungen zu Frauen vollständig ab. Die so genannten Männerrechtler wiederum haben das Weltbild, dass Männer durch Feminismus benachteiligt werden. 

Untereinander gehen diese Gruppen teils ineinander über. Teils grenzen sie sich voneinander stark ab. Insgesamt entspricht die deutsche Szene den inhaltlichen Ausrichtungen, wie sie auch aus den USA bekannt sind.

2. Die Szene bedient viele Kanäle und Formate

Tiktok, Instagram, Facebook, Youtube, Onlineforen, aber auch Gamingportale, Chan4 und Imageboards: Die „Mannosphere“ ist auf allen wesentlichen digitalen Kanälen unterwegs. Die einzelnen Accounts wählen jeweils die Kanäle, auf denen sie ihre Zielgruppen am besten erreichen. So sind etwa die Väterrechtler eher bei Facebook aktiv. Jüngere Zielgruppen werden bei Tiktok und Instagram erreicht.

Inhaltlich verbreiten die Accounts frauenfeindliche Narrative häufig verpackt in Lebensberatung, etwa zu Fitness und Finanzen, aber auch zu Dating, Gaming und allgemeinen Lebensthemen. Gerade hier knüpfen die Accounts bei einer durch Krisen zunehmend verunsicherten Zielgruppe an. Dabei spielen auch Podcasts eine wachsende Rolle.

3. Die Szene lebt von Gewalt – im doppelten Sinne

Die sogenannte „Mannosphere“ propagiert und rechtfertigt Gewalt gegen Frauen on- und offline. Die Forscherinnen und Forscher sehen eine wachsende Gefahr, dass Mitglieder der Szene ihre Phantasien tatsächlich umsetzen; online, in dem etwa Frauen eingeschüchtert und aus der Öffentlichkeit gedrängt werden oder offline durch schwere Gewalttaten wie Amokläufe. 

Dabei verlagern sich Gewaltdynamiken im Internet häufig so, dass Frauen und andere Menschen, die sich gegen bestimmte Geschlechterrollen engagieren, auch in ihrer analogen Lebenswelt angegriffen werden.  

Wird über frauenfeindliche Gewalttaten berichtet, sorgt das wiederum für Zulauf zur Szene. So stellt die Netzwerkanalyse auch fest, dass nach dem versuchten Anschlag auf die Synagoge von Halle im Jahr 2019, begangen durch einen Mann, der sich selbst den Incels zurechnete, genau diese Szene gewachsen ist.

4. Die Szene ist in alle Richtungen gut vernetzt und anschlussfähig

Die Netzwerkanalyse bezieht sich auf rund 300 öffentliche Accounts und Websites. Geschlossene Gruppen etwa bei Online-Messagerdiensten hat die Studie nicht ausgewertet. Das Forscherteam geht deshalb davon aus, nur einen Bruchteil relevanter Accounts erfasst zu haben. 

Aber auch hier zeigt sich: Die „Mannosphere“ ist international bestens vernetzt und weist viele Schnittstellen in andere gesellschaftliche Bereiche auf. Hohe Überschneidungen gibt es zu rechten und rechtsextremen Accounts. Aber auch Frauen unterstützen und verbreiten die Narrative der Mannosphere, etwa unter den so genannten Tradwives (zu Deutsch: traditionelle Ehefrauen). 

Auch deshalb ist die Szene im Netz so präsent. Der allergrößte Teil frauenfeindlicher Inhalte im Netz stammt daher, dass so viele Menschen, die selber nicht in der „Mannosphere“ aktiv sind, ihre Inhalte dennoch aufgreifen, mit ihnen interagieren und so für ihre Verbreitung sorgen. 

Çağlar, Gülay/Drath, Charlotte/Hammer, Dominik/Matlach, Paula/Schwarz, Karolin 2025: Mapping the Germanosphere. A Pilot Study, SCRIPTS Working Paper No. 57, Berlin: Cluster of Excellence 2055 "Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS)"

Die vollständige Studie kann hier heruntergeladen werden.